Die Festnahme eines Präsidenten – oder der lange Weg zur Republik

Foto: Mela Theurer

Die Internationalisierung des Prozesses ist dem abgesetzten katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont nach seiner Festnahme in Deutschland gelungen. Doch welche Perspektiven gibt es zur Bildung einer unabhängigen Republik Kataloniens

Die Festnahme des katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont am Sonntag war die Schlagzeile überhaupt. Die sozialen Medien stehen seitdem nicht still und all diejenigen, die glauben etwas dazu zu sagen zu haben, füllen seitdem Nachrichten in Presse und sozialen Netzwerken.  Solidarität vor der JVA in Neumünster und vor allem auf den Straßen Kataloniens folgten. Nachdem Medien wie Focus aus „sicheren Quellen“ zu berichten wussten, dass Puigdemont durch den spanischen Geheimdienst CNI kontrolliert und in einer gemeinsamer Operation mit dem Einsatzkommando „Sirene“ des BKA in Schleswig Holstein festgesetzt wurde, stellt sich die Frage, warum dies gerade in Deutschland geschah. Der europäische und internationale Haftbefehl gegen Puigdemont wurde bereits am Tag zuvor erlassen, als sich Puigdemont noch in Finnland aufhielt. Entgegen den Ankündigungen seines Anwaltes sich dort der Polizei zu stellen, trat Puigdemont mit vier Begleitern in einem Auto den Rückweg zu seinem Exil in Belgien an. Dort residiert er seit Ende Oktober, nachdem er symbolisch die katalanische Republik ausgerufen, dann aber den Rückzug angetreten hatte. Mit vier weiteren Mitgliedern seines Kabinetts war er nach Brüssel geflüchtet, um einer Haft in Spanien zu entgehen und von dort aus die Frage der Unabhängigkeit Kataloniens zu internationalisieren. Dass die Konferenzen an denen Puigdemont seitdem teilnahm dem spanischen Staat ein Dorn im Auge waren, daran besteht kein Zweifel. Auch nicht in der Tatsache, dass mit der definitiven Abgabe des politischen Konfliktes an die spanische Justiz in die Hände des zuständigen Richters des obersten Gerichtshofes Pablo Llarena eine neue repressive Etappe angetreten ist. Dennoch bleibt die Frage, warum sich Puigdemont genau in Deutschland verhaften ließ. Das stärkste Land der EU macht es ihm sicherlich nicht einfach. Das machte die  Bundesegierung sogleich klar, die den Katalonienkonflikt als spanieninterne Angelegenheit betrachtet, die Entscheidung in die Hände der Jusitz legt und erklärt, kein Veto gegen eine Auslieferung einzulegen. Eine klare Botschaft, auch an die Experten, die im OLG über darüber zu entscheiden haben, ob Puigdemont in den spanischen Sttat zurück muss. Unabhängige deutsche Justiz hin oder her.

Auf den Straßen tut sich derweil so einiges. In Katalonien fordern die Komitees zur Verteidigung der Republik (CDR) einen Generalstreik und vor der JVA Neumünster kommt es zu Solidaritätskundgebungen von Antifas, CDRs und der katalanischen Nationalversammlung ANC.

Derweil empfängt Carles Puigdemont Bernd Lucke. Ehemaliger CDU-Abgeordnete, Gründer der rechten Alternative für Deutschland (AfD) und derweil Europaabgeordneter für die Liberal-Konservativen-Reformer. Vor dem Gefängnis erschallen Rufe wie „Hoch die internationale Solidarität“. Die antikapitalistische Kandidatur für die Volkseinheit hält an seiner Kandidatur fest, weil er zu einer Symbolfigur der spanischen Repression geworden ist. Insgesamt ein skuriles Szenarium. Zweifelsohne wäre eine Auslieferung Puigdemonts an den spanischen Staat keine gute Sache. Dadurch würde dieser auf seiner Repressionsschiene bestärkt, selbst wenn Puigdemont nur ein Verfahren wegen Veruntreuung von Staatsgeldern erwarten würde. Denn den Straftatbestand der Rebellion gibt es in Deutschland nicht und dem müsste zudem eine Gewalthandlung zugrunde liegen, was juristisch schwierig zu belegen wäre…

Der Konflikt zwischen Katalonien und dem spanischen Staat hat sich jedoch spätestens seit dem 27. Oktober auch in einen katalonieninternen Konflikt verwandelt. Dabei geht es nicht um die Auseinandersetzung zwischen Unionisten, die die Zugehörigkeit zum spanischen Staat vertreten und den Unabhängigkeitsbefürwortern. Vielmehr stellt sich die Frage, warum die politischen Verantwortlichen die an den Urnen entschiedene Frage vom 1. Oktober für eine unabhängige katalanische Republik nicht umgesetzt haben. Puigdemont und seine Regierung wollte nach eigenen Angaben keine Toten in Kauf nehmen, wozu der spanische Staat mit einer Intervention anscheinend bereit gewesen wäre. Doch die Basis sieht das zum Teil anders und fühlt sich verraten – auch wenn sie nach wie vor  Gewaltverzicht festhält, was zum Indikator der Legitimität dieser Bewegung wurde.  Spontane und selbst kontinuierliche Mobilisierungen bringen noch lange keine Republik, das ist klar. Nun soll einmal mehr auf die Wahl eines Präsidenten und auf eine Regierungsbildung gesetzt werden. Antirepressionspakte sollen ideologische Gegensätze überwinden, was jedoch noch lange keine Garantie für eine republikanische Perspektive darstellt. Der spanische Staat wird auch in Zukunft nicht locker lassen. Zur Zeit kontrolliert Madrid die katalanischen Institutionen. Kann die knappe Mehrheit für eine Republik eine solche tatsächlich durchsetzen? Das ist die Frage, die die Gesellschaft in Katalonien derzeit bewegt. Diese wird sich derzeit  weder im Parlament entscheiden noch anhand der Entscheidung, ob Puigdemont ausgeliefert wird.