Guillem Agulló – Gegen das Vergessen

Foto: Mela Theurer

Vor 25 Jahren wurde der Antifaschist Guillem Agulló von einem Nazi ermordet. Jetzt wird in Valencia eine Straße nach ihm benannt

Am 11. April 1993 fuhr Guillem Agulló i Salvador mit Freunden zum Zelten ins eine Autostunde von Valencia entfernte Montanejos.  Der 18-jährige Agulló, Mitglied der antirassistischen SHARP, der Independentisten-Organisation Maulets und im Infoladen Kasal Popular in Valencia aktiv, wollte dort die Osterferien verbringen.

Am späten Abend wurden die jungen Antifaschisten auf dem Dorfplatz von einer Gruppe Neonazis aufgesucht. Diese waren aus Marxalenes, einem Stadtteil Valencias, angereist. Die Faschisten drängten Guillem Agulló in eine kleine Gasse, schlugen dort auf ihn ein, bis ihn einer von ihnen mit einem Messerstich direkt ins Herz brutal erstach. Die Gruppe verabschiedete sich mit dem Hitlergruss und der faschistischen Hymne „Cara al Sol“.

Es war nicht den polizeilichen Ermittlungen zu verdanken, dass den fünf Nazis zwei Jahre später der Prozess gemacht werden konnte. Pedro Cuevas, Gerardo Mora,  José Cunat, Juan Manuel Sánchez und Francisco García hatten sich Tage später selbst gestellt und Cuevas gestand den tödlichen Messerstich.

In einem Verfahren vor dem Landesgericht Castelló unternahmen die Richter alles, um den Prozess zu entpolitisieren. Weder die Verstrickungen der fünf Jugendlichen in die Naziorganisation „Acción Radical“, die deutsche Nazigruppen als Vorbild hatte, noch das Geständnis eines der Angeklagten, sich mit dem Hitlergruss verabschiedet zu haben oder die Zeugenaussagen dass „Cara al sol“ gesungen wurde, reichten den Richtern, um der Tat einen politischen Charakter beizumessen. Die Nebenklage, die 30 Jahre gefordert hatte, wurde ebenso wie die Familie, Zeugin der Verharmlosung eines politisch motivierten Mordes. Letztendlich blieb die offizielle Version einer Auseinandersetzung zwischen zwei Jugendbanden.

Obwohl an der Tat mehrere beteiligt waren wurde Pedro Cueves als einziger zu 14 Jahren Haft verurteilt, von denen er lediglich vier Jahre absass. Wegen guter Führung kam er vier Jahre später auf freien Fuss.

Worin Cuevas gute Führung bestand, ist weniger nachvollziehbar. Dass er sich keinesfalls von faschistischer Ideologie distanzierte, zeigte sich spätestens, als 2005 im Rahmen der „Operación Panzer“ gegen die „Front Antisistema“ FAS, bei einer Hausdurchsuchung jede Menge Nazipropagandamaterial bei ihm gefunden wurde. Dieser Schlag gegen ein faschistisches Netzwerk aus Militärs, Neonazigruppen und Industriellen endete letztendlich mit einem Freispruch der Angeklagten. Trotz der Beweislage, dass im Internet Nazipropaganda vertrieben und Waffen verkauft wurden, hob der Oberste Gerichtshof 2015 das Urteil des valencianischen Gerichtshofes auf, weil angeblich Ermittlungsfehler begangen wurden. Bei den Hausdurchsuchungen waren auch Schußwaffen und Handgranaten sichergestellt worden.

2007 trat Cuevas schließlich für die faschischte Alianza Nacional im valencianischen Chiva zu den Wahlen. Er forderte zudem die Rückgabe der von der Guardia Civil während der „Operación Panzer“ konfiszierten Waffen.

Währenddessen findet die Familie von Guillem Agulló weder Gerechtigkeit noch Ruhe. Bereits einen Monat nach dem Mord an ihrem Sohn begann der wahre Terror. Anonyme Anrufe, Parolen wie „Guillem- Fick dich, Du bist tot und das ist gut….“  tauchen immer wieder in Nähe der elterlichen Wohnung auf. Doch die Familie bleibt aktiv. Nicht zuletzt ihr ist es zu verdanken, das Guillem Agulló inzwischen zum Symbol der antifaschistischen Bewegung in Valencia und Katalonien wurde. Jedes Jahr finden zu seinem Todestag Gedenkveranstaltungen statt. Und dieses Jahr wird selbst in Valencia eine Straße nach ihm benannt. Die FreundInnen und Familie sind damit nicht ganz zufrieden. Sie hätten sich einen zentraleren Platz erhofft.

Am 14. April findet eine breit getragene Demonstration unter dem Motto: Guillem Agulló – kein Vergessen – kein Vergegeben“ und für eine „tolerante Stadt – Valencia“ statt.