Nicht länger Hungerlohn

Katalonien: Streikende Beschäftigte des spanischen Kommunikationsmultis Telefónica halten die Konzernzentrale in Barcelona besetzt
Seit dem 28. März streiken die Beschäftigten des spanischen Telekommunikationskonzerns Telefónica Movistar. Am vergangenen Samstag besetzten mehrere Dutzend von ihnen im Rahmen eines Aktionstages in Barcelona zum zweiten Mal die Unternehmenszentrale, das Mobile World Center im Herzen der katalanischen Metropole. Während das Wachpersonal durch ein Paar mit Kinderwagen abgelenkt wurde, drangen dreissig Arbeiter in das Erdgeschoss des Gebäudes ein. Im Laufe des Tages wurden sie von rund 700 Menschen verstärkt, die sie nicht nur moralisch, sondern auch mit Lebensmitteln und kulturellen Beiträgen unterstützten.

Eine vom Unternehmen beantragte Räumung lehnte der zuständige Richter zunächst ab, so dass die Besetzung am späten Montagabend noch andauerte.

Der Präsident des Streikkomitees, Aitzol Ruiz, kündigte am Sonntag im Gespräch mit junge Welt an, den Streik und den Kampf mit allen Mitteln fortführen zu wollen. »Wir haben breite Unterstützung, besonders aufgrund unserer guten Vernetzung und der starken Komitees hier, aus dem Baskenland und aus Madrid. Die Medien schweigen unseren Streik tot, da Telefónica einer ihrer Hauptsponsoren ist. Deshalb sind wir auf euch und eure Solidarität angewiesen, damit unsere Mobilisierung nicht im Sande verläuft«, so Ruiz.

Bereits vor zwei Wochen hatten die Streikenden das Telefónica-Gebäude besetzt. Dabei hatten sie das Versprechen der Telefónica-Geschäftsführung erreicht, zu Verhandlungen bereit zu sein. Als diese am 11. Mai stattfinden sollten, erlebte die dreiköpfige Delegation eine Überraschung. Kim Faura, einer der Direktoren des Multis, war nicht allein. Ihm leisteten der Präsident von Ademi, der Vereinigung der Firmen des Sektors, die Verantwortliche der juristischen Abteilung Telefónicas sowie eine Vermittlerin der katalanischen Polizei Mossos d’Esquadras Beistand. Faura verweigerte die Verhandlungen und überreichte der Delegation ein Schreiben, in dem er seine Verpflichtung zur Verhandlungsaufnahme mit der Begründung zurücknahm, er habe sich dazu gezwungen gesehen, da er die Sicherheit der Klienten, Angestellten und der Einrichtung des Mobile World Centers nicht gefährden wollte. Er werde nicht über die Forderungen verhandeln. Zudem wies er auf die Vereinbarungen mit den Gewerkschaftsverbänden CCOO und UGT hin. Diese hatten am 5. Mai ein Abkommen unterzeichnet, das ein sofortiges Ende des Streikes behinhaltete. Dieses Abkommen wurde jedoch von den Streikkomitees abgelehnt. Aitzol Ruiz, selbst Mitglied der UGT, beklagte, dass die beiden Arbeiterorganisationen nicht einmal die Meinung des Komitees dazu erfragt hätten.

Als Reaktion auf die Haltung der Unternehmensleitung kam es ab dem 12. Mai zu Protestdemonstrationen und dezentralen Aktionen gegen Movistar-Niederlassungen. In der Umgebung der dortigen Filiale und im Zentrum Barcelonas wurden vor Läden Kundgebungen abgehalten, Aufkleber an die Scheiben angebracht und Slogans gesprüht. Durch einen Sabotageakt blieben in der Kleinstadt Vilanova 600 Movistarkunden kurzfristig ohne Netz.

Die Subunternehmer und Selbständigen des Telefon- und Internetriesen befinden sich seit dem 28. März im Streik. Was in Madrid auf lokaler Ebene begonnen hatte, dehnte sich am 7. April landesweit aus. Die Streikenden fordern würdige Arbeitsverträge für alle, die u.a. das Recht auf Krankengeld und Rente sichern. Inbegriffen sollen gerechte Löhne sein, die denen der festangestellten Telefónica-Movistar-Mitarbeiter entsprechen, sowie eine geregelte 40-Stunden-Woche, die Festlegung von bezahltem Mindesturlaub, sowie die Gewährleistung der Sicherheit am Arbeitsplatz durch den Konzern. Ebenso fordern sie, dass ihre Arbeitsmaterialien und die für ihre Tätigkeit notwendigen Fahrzeuge vom Unternehmen gestellt werden. Die Vertragsdauer soll auf zwei Jahre festgesetzt werden, während es bisher üblich ist, jedes Jahr neu zu verhandeln.

Grundlage für das Verhalten der Unternehmensführung ist das in dieser Legislaturperiode von der rechten PP-Regierung erlassene Arbeitsgesetz, das die in der Vergangenheit erkämpften Arbeiterrechte ausgehebelt hatte. So konnte Telefónica-Movistar seine prekär beschäftigten Angestellten dazu zwingen, Löhne von 700 bis 800 Euro bei einem Arbeitstag von zehn bis zwölf Stunden an sieben Tagen in der Woche zu akzeptieren.

Spendenkonten der Streikenden: http://teleafonica.blogspot.com.es/p/cajas-de-resistencia.html
veröffentlicht in jw am 25_5_2015