Politische Justiz

Foto: Mela Theurer

Wegen einer Kneipenschlägerei werden acht Jugendliche aus der navarresischen Kleinstadt Alsasua zu zwei bis dreizehn Jahren verurteilt. Begründung: Hass auf die Guardia Civil. Entlastende Beweise werden nicht anerkannt

Dar Urteil gegen acht Jugendliche, die am 15. Oktober 2015 in eine Schlägerei mit zwei Guardia Civils und deren Freundinnen verwickelt waren, ist gesprochen. Sie werden zu Haftstrafen zwischen zwei und dreizehn Jahren verurteilt. Dreizehn Jahre Haft wegen leichter Körperverletzung. Das geht nicht einmal in der spanischen Gesetzgebung, es sei denn, man dichtet dem Ganzen noch etwas dazu.

Was vor zweieinhalb Jahren als Streit in einer Bar begann, endete nun mit einer Urteilsverkündung des Sondergerichts Audiencia Nacional. Dorthin hatte die »Vereinigung der Opfer des Terrorismus« den Fall gebracht. Dem Antrag der Familien, die Angelegenheit im Rahmen eines normalen Strafprozesses vor dem Landesgericht zu verhandeln, wurde nicht stattgegeben, da die Richterin Carmen Lamela befand, dass dem Handeln der Jugendlichen „Hass gegen die Guardia Civil“ zugrunde läge. Und setzte noch eins drauf: Aus der Sympathie bzw. der aktiven Mitarbeit in der Bewegung „Alde hemendik“ (Besatzungskräfte raus) leitete sie letztendlich den Tatbestand des Terrorismus ab.

Auch der Befangenheitsantrag gegen die vorsitzende Richterin Concepción Espejel wurde abgelehnt. Diese ist mit einem Oberst der Guardia Civil verheiratet und erhielt unter anderem für die Sicherung der Interessen des Vaterlandes deren Verdienstkreuz.

Angesichts der offensichtlichen Konstruktion von Anklagepunkten und einer ideologisierten Prozessführung hatten Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international Delegierte zur Prozessbeobachtung geschickt und einen fairen Prozes gefordert. Diesen bekamen die Jugendlichen jedoch nicht. Zwar konnte der Terrorismusvorwurf nicht aufrechterhalten werden, die dennoch hohen Strafen wurden mit der „Schwere der Tat“ gerechtfertigt. Obwohl die Guardia Civil-Beamten nicht im Dienst waren, lautete das Urteil auf Angriff gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung, Störung der öffentlichen Ordnung und Bedrohungen. In der Urteilsbegründung wird angeführt, dass in Navarra ein Klima des Hasses gegen die Guardia Civil bestünde, die als Besatzungsmacht gesehen wird. Aus dieser Motivation heraus hätten die Jugendlichen die Beamten angegriffen. Die Aktivität zweier der Beschuldigten in „Alde hemendik“ untermauerte die Beweislage. Entlastende Beweise, wie Fotos und Videos aus denen hervorging, dass ein Beschuldigter an jenem Abend gar nicht anwesend war, wurden nicht anerkannt. Das Gericht befand, dieses Material sei in der Zwischenzeit manipulierbar gewesen. Auch die Eingabe der Anwälte dass es bei der Idenditätsfeststellung zu Irregularitäten gekommen sei, wurde abgelehnt. Ebensowenig entlastend wirkte, dass der Hauptzeuge der Anklage Keneth Paulet keinen der Angeklagten tatsächlich identifizieren konnte.

Letztendlich ergingen folgende Urteile:  Ohian Arnanz und Iñaki Abad bekamen 13 Jahre Jokin Unamuno  und Adur Ramírez 12 Jahre Haft . Jon Ander Cob,  Julen Goicoechea und Aratz Urrizol wurden zu neun Jahren veurteilt. Wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Drohungen muss Ainara Urquijo für zwei Jahre ins Gefängnis.

Die Angehörigen der Gefangenen fordern keine Straffreiheit sondern Gerechtigkeit und sprechen von einer Unverhältnismässigkeit des Urteils. Im Vergleich:  Vor eineinhalb Monaten bekamen die fünf Angeklagten einer Massenvergewaltigung während der San Fermin Festlichkeiten in Pamplona, bekanntgeworden unter La Manada, lediglich neun Jahre Haft.