Polizeigewalt

Der gewaltsame Tod eines Polizisten der Stadtpolizei Anfang Mai wirft neues Licht auf eine Reihe gewalttätiger und verdunkelnder Machenschaften innerhalb des Korps

Am 4. Mai wurde in der Nähe des Foix-Stausees südlich von Barcelona in einem in Flammen stehenden Auto eine verkohlte Leiche gefunden, die als Pedro Rodríguez identifiziert wird. Bei dem Toten handelt es sich um einen Beamten der Stadtpolizei Guardia Urbana. Nach über einer Woche andauernder Emittlungen wurden zwei Personen festgenommen. Rosa Peral, Lebensgefährtin des Ermordeten und  Polizeibeamtin, sowie Alberto López , Polizist und Kollege. Beide stammen aus derselben Unterstützungseinheit der Guardia Urbana Barcelona. Sie stehen unter dem dringenden Verdacht, Pedro Rodríguez ermordet zu haben.

Was zunächst als eine „Beziehungstat“ in den Medien gehandelt wird, könnte jedoch einen gänzlich anderen Hintergrund haben. Im Zuge der Ermittlungen wurden alle Fälle neu aufgerollt, in denen die drei Beamte in den letzten sechs Jahren verwickelt waren:

Metrostation Passeig de Gracia Barcelona am 13. Juli 2011. Vier Straßenverkäufer werden nach eigenen Aussagen von einer Patroullie der Guardia Urbana eingekreist und mit Schlagstöcken traktiert. In der Notaufnahme werden den Straßenhändlern zwei gebrochene Finger, eine Platzwunde am Kopf sowie Hämatome am ganzen Körper diagnostiziert.  Ihr Anwalt von der Menschenrechtsorganisation SOS-Rassismus spricht von rassistischer und xenfober Gewalt seitens der Guardia Urbana. In einem Gerichtsverfahren, werden diese aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die Agression fand in einem von der Überwachungskamera der Metro aus gesehenen „toten Winkel“ statt. Der Hauptangeklagte, für den sieben Jahre Haft gefordert wurde ist Alberto López.

Am 24. August 2012 greifen in Barcelonas Stadtteil Raval vier Beamte der Unterstützungseinheit USD einen jungen Senegalesen an. Brutal schlagen sie auf ihn ein und nehmen ihm sein Geld ab. Dieses Mal läuft es schlechter für die Polizisten. Ein Fußgänger filmt die Szene. Am 17 September 2013 wird der Hauptverantwortliche dieser Agression wegen unangemessenem und ungerechtfertigem Schlagstockeinsatz zu 300 Euros Strafe und einer Entschädigung von 600 € veurteilt. Es handelt ich dabei um den USD-Beamten Alberto López.

Am 9. August 2014 springt nach offiziellen Angaben ein pakistanischer Straßenhändler nach einer Verfolgungsjagd angeblich „freiwillig“ in den Tod. Die offizielle Version, die in der Presse nur eine Randnotiz einnimmt, schenkt einem Patroullien-Duo Glauben, nach deren Aussage ein  Straßenhändler eine Beamtin zunächst mit einem Messer verletzt haben soll um danach  während des Versuchs seiner Festnahme, „freiwillig“ einen mehr als 20 Meter hohen Abhang hinunterzuspringen. Mindestens fünf Beamte waren an dieser Aktion beteiligt. An der direkten „Unfallstelle“ hielten sich hingegen nur zwei Beamte auf: Alberto López und Rosa Peral. Rosa Peral wird vorort aufgrund einer leichten Wunde am Hals behandelt und kann ohne weitere Probleme den Dienst sofort wieder aufnhemen. Da der Tod des pakistanischen Straßenhändlers jedoch unter ungeklärten Umständen stattfand, wird gegen die beteiligten Beamten ermittelt. Letztendlich werden alle aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Es gibt kein Beweismaterial gegen die Beamten, die mindestens drei weiteren Polizisten, die als ZeugInnen hätten aussagen können, hielten sich nicht am Ort des Geschehens auf. Einer der Beamten, die an der Aktion beteiligt waren, stirbt bei einem Autounfall. Die Identität des Straßenverkäufers wurde bisher nie offiziell bestätigt. Bisher ebenfalls unbestätigte Quellen sprechen von einem 50-Jährigen Mannes mit spanischem Pass.

Am 17. August 2016 missachtet ein Motorradfahrer ein Stopp-Signal. Er wird von zwei Verkehrspolizisten der Guardia Urbana gestellt und nach einer kurzen Diskussion schägt ein Beamter unkontrolliert und immer wieder auf ihn ein. Der Motorradfahrer erstellt Anzeige und der Polizist wird vom Dienst suspendiert. Unterschiedlichen Quellen zufolge wurden dem Motorradfahrer vorherige Strafen in Höhe von mehreren Tausend Euro erlassen, beziehungsweise unter der Hand eine Entschädigung von 5000 € gezahlt. Fakt ist jdedenfalls, dass die Klage wegen Körperverletzung gegen den Polizisten zurückgezogen wurde. Daraufhin konnte der vom Dienst suspendierte Beamte wieder zurück an seinen Arbeitsplatz. Dabei handelt es sich um Pedro Rodríguez, den im Mai im  Kofferraum aufgefundeten Toten.

Auf den 15. Mai 2017  ist der Prozess gegen einen hohen Beamten der Guardia Urbana angesetzt. Angeklagt ist Oscar S., der 2008 im Internet ein intimes Foto seiner ehemaligen Lebensgefährtin  veröffentlicht und unter Angabe ihrer Telefonnummer Kollegen auffordert, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Im sexistischen Stil: „das könnt ihr auch haben“.  Die Folge sind permanente Belästigungen, schräge Blicke, eindeutige Bemerkungen, die einen Wechsel des Arbeitsplatzes notwendig machen und Feministinnen des Polizeikorps auf den Plan rufen, die der Kollegin soziale und psychologische Unterstützung zusichern. Bei dem Opfer der sexisischen Gewalt handelt es sich um Rosa Peral. Während in Folge ihr ehemaliger Partner Oscar S. in seiner beruflichen Laufbahn weiterhin schnell vorankommt, bekommt sie mehr oder weniger eindeutige Angebote , erlebt einen Karrierestopp und ist  sexistischen Äußerungen von Polizeikollegen ausgesetzt.

Eine Woche vor dem Prozess gegen Oscar S. verschwindet schließlich Pedro Rodriguez. In der Presse werden Indizien veröffenticht, die auf eine Beziehungstat hindeuten. Der ehemalige Lebensgefährte und Patroullienpartner von Rosa Peral taucht gemeinsam mit ihr auf einem Essen auf, dabei hat er seinen langjährig gepflegten Bart abrasiert. Rosa Peral hat das Verschwinden ihres Lebensgefährten nicht angezeigt. Es folgen „Beweisfotos“ aus den sozialen Medien wie Facebook und Twitter.

Tatsache ist, dass Rosa Peral nach Auftauchen des Toten um Schutz bittet. Merkwürdige Umstände, die die Boulevardpresse nutzt, um triviale Schlüsse zu ziehen. Tatsächlich stellt sich jedoch unvoreingenommen die Frage, die nach differenzierter Antwort verlangt: Wer sind die Opfer und die Täter in einem Fall, dessen Komplexität das einzig Evidente zu sein scheint.

Ob bezüglich  der  archivierten und verschleierten Fälle der vergangenen Jahre angesichts der Ermordung eines weißen, männlichen Polizisten endlich die Wahrheit ans Licht kommt , bleibt zwar frag- und kritikwürdig aber dennoch wünschenswert. Die Verstrickung rassistischer, sexistischer und monopolistischer Gewaltverhältnisse ist nicht wie Innenminister Jordi Jané es ausdrückt, ein Einzelfall, sondern vielmehr ein systematisch internalisierter Status Quo, der das Konzept kapitalistischer, sexistischer und rassistischer Gewalt, internalisiert hat und verteidigt. Möglicherweise bedarf dies mehr eines investigativem Journalismus als polizeilichen und juristischen Ermittlungen.

 

https://directa.cat/un-caporal-expedientat-dirigia-loperatiu-va-morir-un-manter-montjuic