Kämpfende Migrantinnen

Foto: Mela Theurer

Barcelona: Protest gegen Sexismus und Einwanderungsgesetze. Ehemalige Kunstschule besetzt

Über 500 Gruppen und Kollektive haben am Sonntag die bislang stärkste Mobilisierung von Migranten in Barcelona unterstützt: »Weg mit dem rassistischen Ausländergesetz« und »Es wird sich noch zeigen, wer die Schlacht gewinnt, der rassistische Institutionalismus oder die kämpfenden Migrantinnen«, schallte es auf der Plaça de Catalunya. 3.000 Menschen waren laut Veranstalter gekommen, um für die Verbesserung der rechtlichen Situation von Einwanderern zu demonstrieren. Die Stadtpolizei sprach von 1.500. In einem lautstarken und auch festlichen Zug ging es über die Rambla, am kolonialistischen Denkmal des Christoph Kolumbus vorbei, durch den Migrantenstadtteil Raval hin zur ehemaligen Kunstschule Massana. Das Gebäude ist seit dem 21. April besetzt. So wurde an eine Tradition angeknüpft, denn diese Protestform war bereits vor 17 Jahren in verschiedenen Kirchen der katalanischen Hauptstadt praktiziert worden.

In mehrsprachigen Redebeiträgen wurden konkrete Zusagen der Stadt und der katalanischen Regierung gefordert. Migrantinnen zum Beispiel verlangten Gesetzte, die sie gegen sexistische Unterdrückung schützen. Denn alleinerziehenden Frauen kann aufgrund ihrer finanziellen Nöte das Sorgerecht entzogen werden. Viele sind deshalb auf ihren Lebenspartner angewiesen, selbst wenn er gewalttätig ist. Zwei Wochen nachdem die Kunstschule besetzt worden war, richteten Frauen sich ihren eigenen Bereich ein. Sie veranstalten seither Foren zu antirassistischem Feminismus, Unterdrückungs- und Ausbeutungsmechanismen und entwickeln hieraus ihre Forderungen. Dementsprechend war auch die Demonstration von Frauen dominiert.

Außerdem verlangten die Protestierenden die Abschaffung rassistischer Einwanderungsgesetze. Noch immer ist es nahezu ausgeschlossen, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Der notwendige Nachweis sozialer Integration setzt drei Jahre Aufenthalt in Spanien inklusive eines einjährigen Arbeitsvertrages voraus. Diesen zu bekommen ist ohne Papiere kaum möglich. Prekären Arbeitsverhältnissen ausgesetzt, haben die Migranten weder Anspruch auf Gesundheitsversorgung noch auf Rente. Sie machen Überstunden, ihnen wird weit weniger als der Mindestlohn gezahlt, und sie sind nach Arbeitsunfällen nicht abgesichert.

Deshalb fordern sie von der katalanischen Generalitat, den einjährigen Arbeitsvertrag als Voraussetzung zu streichen. Von der Stadtregierung verlangen sie Flexibilität in bürokratischen Angelegenheiten. Denn die Termine sind auf Monate hinaus ausgebucht, die Schlangen vor den Ämtern sind lang. Und ohne Papiere keine Ausreise. Wer Spanien verlässt, um Familienangehörige wiederzusehen, darf nicht mehr zurück. Die illegale Einreise aber ist teuer, gefährlich und nahezu aussichtslos. Gesetze der postfranquistischen Volkspartei PP erlauben es, jene, die den Zaun überwunden haben und aufgegriffen werden, umgehend abzuschieben. Wer es ohne Papiere dennoch schafft, in eine der Metropolen oder als Erntehelfer auf die Felder zu gelangen, dem drohen polizeiliche Verfolgung, rassistische Kontrollen und Internierungslager.

Selbst wer eine Aufenthaltserlaubnis bekommt, genießt nicht die gleichen Rechte wie spanische Staatsbürger oder Einwanderer aus EU-Staaten. Für das Wahlrecht oder eine politische Kandidatur ist die Staatsbürgerschaft notwendig. Dazu sind zehn Jahre Aufenthalt in Spanien und zwei bestandene schriftliche Examen nötig. Auch gegen diese Eignungsprüfungen wehren sich die Einwanderer.

veröffentlicht in jw am 30_5_2018