Kriminalisierte Kunst

Foto: Mela Theurer

Wer in Spanien gegen den König, den Staat und gegen Korruption rappt, ist schneller im Knast als so mancher korrupte Politiker

»Der Bourbonenkönig und seine Geschichten, keine Ahnung ob er auf Elefantenjagd oder mal wieder im Puff war. Es gibt Sachen, die du nicht erklären kannst, wie dass er einst seinen Bruder zur Zielscheibe machte. Jetzt sind da seine arabischen Brüder, an die er die Waffen verscherbelt …« – wer solche Texte in Spanien verbreitet, muss ins Gefängnis. Zumindest wenn man Rapper ist: Der mallorquinische HipHop-Künstler Valtonyc wurde für seinen Track »El Rey Borbó« zu dreieinhalb Jahren Haftstrafe verurteilt. Doch als er am vergangenen Mittwoch in den Knast sollte, war er bereits verschwunden. Valtonyc, der eigentlich Josep Miquel Arenas heißt, kündigte an, seinen Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg bringen zu wollen.

Der Staatsanwalt hatte nur drei Jahre Haft gefordert, die Richter gaben noch ein halbes Jahr drauf, sie wollten ein Exempel statuieren. Für Textzeilen wie »Scheiß Bullen, scheiß Monarchie, mal sehn ob ETA nicht bald ne Bombe wirft« wurde Valtonyc wegen Verherrlichung des Terrorismus, Verleumdung und Beleidigung des Königshauses verurteilt. Auch dem Vorsitzenden des extrem rechten Circulo Balear Jorge Campos wünschte er nichts Gutes: »Campos verdient ne Bombe mit nuklearer Zerstörungskraft« heißt es in einem seiner Lieder.

Valtonyc verteidigte sich gegen die Anwürfe der Justiz mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und künstlerische Freiheit. Seine Texte seien Poesie und kein Aufruf zur Gewalt, und alles was er darin verarbeitet habe, stamme aus Presseinformationen. Doch wenn es künstlerisch gegen Krone, Bestechung und den spanischen Staat geht, greift die spanische Justiz härter und schneller durch, als wenn es um Korruption geht. Der ehemalige Bürgermeister Tomás Goméz Arrabal aus der Provinz Malaga beispielsweise wurde wegen zwölf Korruptionsvergehen zwar zu neun Jahren verurteilt, kurze Zeit später von jedoch von der spanischen Regierung unter Mariano Rajoy begnadigt und seine Strafe auf zwei Jahre reduziert.

Valtonyc ist nicht der einzige Künstler, der kriminalisiert wird. Sein HipHop-Kollege Pablo Rivadulla, der als Pablo Hasél rappt, soll in zwei Wochen für drei Jahre in den Knast. Er kündigte bereits an, sich der Haftstrafe nicht entziehen zu wollen. Hasél, 2014 bereits zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, vermutete im Februar vor Gericht: »Wenn ich den Katalanen eine Bombe untern Arsch gewünscht oder gegen Homosexuelle und MigrantInnen Stimmung gemacht hätte, säße ich jetzt nicht hier«. Ihm wird vorgeworfen, in Songtexten und auf Twitter den Terrorismus verherrlicht und Politiker sowie den König verleumdet zu haben. Wie Valtonyc beruft er sich auf die Kunst- und Meinungsfreiheit: »Ich habe wie die Medien Ungerechtigkeit und Ungleichheit angeprangert und werde dies auch weiter tun. Ich bin nicht verantwortlich dafür, dass der König Elefanten jagt oder mit öffentlichen Geldern seine Geliebten aushält. Das habe ich nicht erfunden, das steht in den Medien, man kann es sogar googeln«, erklärte Hasél vor Gericht.

Seit 2011 die postfranquistische Volkspartei PP die Regierung übernahm, kam es zu einem drastischen Anstieg von Anklagen und Strafen gegen Rapper. Neben Valtonyc und Hasél landeten bereits Los Chikos del Maíz, Ayax y Prok und César Strawberry, Sänger der Punk-Metal-Band Def con Dos vor Gericht. Die Anklage lautet meist auf »Verherrlichung des Terrorismus«, auch wenn die ETA dem bewaffneten Kampf längst eingestellt hat. 2012 gab es zehn, 2013 fünfzehn und 2014 vierzehn Verfahren. 2015 kam es zu 25 Urteilen wegen »Verherrlichung von Terrorismus«, dabei wurde 19mal eine einjährige Haftstrafe verhängt, gekoppelt mit sieben Jahren Berufsverbot.

Am vergangenen Freitag wurde der ehemalige Sänger der baskischen Punkgruppe La Polla Records nach einem Konzert in Andalusien von der Guardia Civil angehalten und erkennungsdienstlich behandelt, weil er angeblich auf der Bühne die Polizei beleidigt habe. Gegen ihn wurde inzwischen Anzeige erstattet.

veröffentlicht in jw_ am 29_05_2018